Märchen Autoren: A B    C D E    F G    H I J    K L    M N    O P Q    R S    T U    V W    Z
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Märchen Themen: A B    C D E    F G    H I J    K L    M N    O P Q    R S    T U    V W    Z

Die 7 Speckschwarten - Italienische Märchen

Die 7 Speckschwarten

Es war einmal eine alte Bettlerin, welche mit der Kunkel in der Hand von Tür zu Tür ging und Almosen bettelte und weil man „durch List und Betrug ein halbes Jahr lebt“, so machte sie einigen mitleidigen und leichtgläubigen Frauen weiß, dass sie für eine magere Tochter ich weiß nicht was für eine fette Suppe machen wolle und erbettelte sich von ihnen sieben Speckschwarten.
Diese trug sie nach Hause, gab sie mit einer Schürze voll Holzspäne, die sie unterwegs von der Erde aufklaubte, ihrer Tochter und befahl ihr dieselben zu kochen, während sie selbst wieder ausging, von einigen Gemüsehändlerinnen etwas Grünzeug zu betteln, um aus Allem eine schmackhafte Suppe zu bereiten.
Die Tochter nahm die Schwarten, sengte die Haare ab, steckte sie in einen Topf und setzte sie ans Feuer. Doch sie wollten nicht sowohl in den Topf, als ihr in den Hals. Denn der emporsteigende Geruch reizte ihren Appetit so heftig, dass sie nach langem Widerstreben endlich, von dem Duft des Topfes angetrieben, von natürlicher Begierde und heftigem Hunger überwältigt, anfing ein wenig zu kosten, was ihr so gut schmeckte, dass sie bei sich sagte: „Wer die Gelegenheit hat, muss sie benutzen; ich bin einmal dabei, ich will darauf losessen, mag da werden was wolle; es ist ja nicht mehr als eine Schwarte!"

Und mit diesen Worten aß sie fürs erste die eine und nachdem sie auf den Geschmack gekommen, fasste sie die zweite, biss dann die dritte an, und so nach und nach aß sie alle sieben auf.

Nachdem sie jedoch ihrer Mutter diesen schlimmen Streich gespielt hatte und nun. darüber nachdachte, was für Unheil daraus für sie selbst entstehen könne, wollte sie der Mutter ein X für ein U machen, nahm einen alten Schuh, schnitt die Sohle in sieben Stücke und steckte sie in den Topf.

Inzwischen kam die Mutter mit einem Bündel Kohl zurück, zerschnitt ihn, so wie er war, ohne irgend etwas davon wegzuwerfen, und als sie das Wasser im Topf in vollem Sieden sah, warf sie die Blätter hinein nebst ein wenig Fett, das ihr ein Kutscher als Almosen gegeben hatte, tat dazu noch einige alte Brotkrusten und schüttete das Ganze auf einen hölzernen Teller. Sodann fing sie mit großem Appetit an zu essen.

Sehr bald jedoch nahm sie wahr, dass ihre Zähne nicht die Fähigkeit einer spitzigen Schuhmacherahle besäßen, und dass die Schweinschwarten durch einen ganz besonderen Zufall sich in das zäheste Büffelfell verwandelt hätten.

Sie wendete sich hierauf zu ihrer Tochter und sagte: „Ich sehe wohl, du hast mir einen bösen Streich gespielt, du verwünschtes Mädchen: was hast du denn hier in die Suppe hineingesteckt? Glaubst du denn, mein Bauch ist ein alter Schuh, dass du ihn mit solchen Lederflicken ausbessern willst? Sogleich gesteh' mir, was du getan hast, oder vielmehr, es ist gar keine Entschuldigung, und du verdienst, dass ich dir keinen Knochen im Leibe ganz lasse."

Saporita, dies war der Name der Tochter, leugnete zwar anfänglich, sah sich aber dennoch endlich zum Geständnis genötigt und gab die Schuld dem Dunste des Topfes, der ihr in die Nase gestiegen sei und sie diesen schlimmen Streich hätte begehen lassen.

Die alte Frau, die ihr Essen so übel zugerichtet sah, packte darauf einen Besen und fing an ihre Tochter dergestalt zu bearbeiten, dass sie siebenmal aufhörte und eben so oft wieder von Neuem anfing.
Bei dem Geschrei des Mädchens trat ein Kaufmann, der zufällig vorüberging, ins Haus und als er die üble Behandlung sah, welche jenes erduldete, nahm er der alten Frau den Besen aus der Hand und sagte zu ihr:

„Was hat dir denn das arme Mädchen getan, dass du sie tot schlagen willst? Heißt das züchtigen und nicht vielmehr umbringen? Schämst du dich nicht, dass du auf diese Weise ein junges Mädchen behandelst?"
„Du weißt nicht“, antwortete die Frau, „was für einen Streich sie mir gespielt hat, das unverschämte Ding! Seht nur, wie arm ich bin, und dennoch will sie mich durch Arzt und Apotheker noch zu Grunde richten! Denn obgleich ich ihr befohlen habe, jetzt bei der großen Hitze nicht so viel zu arbeiten, um nicht krank zu werden, weil ich kein Geld habe, sie kurieren zu lassen: so hat mir doch das ungehorsame Ding recht zum Trotz heute früh sieben Spindeln vollgesponnen, ans die Gefahr hin, vor Schwäche niederzufallen und ein paar Monate lang krank und mir zur Last dazuliegen." Als der Kaufmann dies hörte, bedachte er, welch ein großes Glück die Arbeitsamkeit dieses Mädchens für sein Haus sein könnte, und sagte zu der alten Frau: „Lass ab von deinem Zorn, denn ich will dich von dieser Gefahr befreien, deine Tochter heiraten und sie in mein Haus führen, wo sie wie eine Fürstin leben soll. Denn durch Gottes Gnade hab' ich ein paar Hühner in meinem Hause, mäste mir mein Schwein, hab' meine eigenen Tauben — mit einem Wort, ich kann, mich nicht in meinem Hause umdrehen, so voll ist es. Möge der Himmel mich segnen und ein böser Blick mir nichts antun, denn meine Scheuern sind voll Getreide, meine Kisten voll Mehl, die Krüge voll Oel, die Töpfe voll Schmalz, die Haken voll Speckseiten, die Böden voll Holz. Ich habe herrliche Betten und die köstlichste Wäsche, genug, es geht mir an nichts ab."

Die alte Frau, da sie ein so unverhofftes Glück mit einmal vor sich sah, fasste Saporita an der Hand und übergab sie dem Kaufmanne nach altneapolitanischer herkömmlicher Sitte, indem sie zu ihm sagte: „Hier hast du sie; sie sei dein auf tausend Jahre mit Gesundheit und Wohlergehen!"

Der Kaufmann umarmte seine Braut, führte sie hierauf nach Hause und konnte vor Ungeduld die Stunde gar nicht erwarten, wo er anfangen könnte sie zu beschäftigen.

Mit Anbruch der Woche nun stand er sehr zeitig auf, ging auf den Markt, kaufte zwanzig Bund Flachs, brachte sie der Saporita und sagte zu ihr: „Jetzt spinn' nur immer, so viel du willst; du brauchst dich jetzt nicht mehr zu fürchten, dass eine Närrin, wie deine Mutter, dir die Knochen entzweibreche, weil du zu viel arbeitest, denn für jede zehn Spindeln werde ich dir zehn Küsse geben; arbeite also immer darauf los und wenn ich in drei Wochen von der Messe nach Hanse komme, so lass mich diese zwanzig Bund Flachs gesponnen finden und du sollst auch dafür einen schönen Rock aus rotem Tuch, mit grünem Sammet besetzt, erhalten."

„Ja, geh nur immer“, murmelte Saporita ganz leise für sich, „du sollst dich wundern! Denkst du denn, ich kann hexen, dass ich in drei Wochen zwanzig Bund Flachs spinnen soll? Geh nur hin, denn es hat lange Zeit und du wirst diesen Flachs dann gesponnen finden, wenn die Leber Haare hat."

Indessen reiste der Mann ab, und sie, die eben so leckerhaft als faul war, tat weiter nichts, als Kuchen backen und aß vom frühen Morgen bis spät in die Nacht ohne Unterlass. Als aber die Zeit herannahte, dass ihr Mann zurückkehren sollte, fing sie an zu sich zu kommen und zu überlegen, was es für Lärm und Geschrei geben würde, wenn der Kaufmann den Flachs unberührt, die Mehlkisten und Öltöpfe dagegen leer fände.

Sie nahm daher eine lange Stange, wickelte um dieselbe zehn Bund Flachs mitsamt dem Werg, richtete diese Großmutter aller Spindeln in dem Hofe auf, so dass sie bis über das Dach reichte, ging dann auf dasselbe hinauf, indem sie eine große Schüssel mit Makkaronibrühe als Wassernäpfchen bei sich hatte und spann Faden so dünn und so fein wie zu Schiffstauen, und jedes Mal, wenn sie die Finger nass machte, spielte sie mit den Vorübergehenden Karneval, indem sie ihnen Makkaroni zuwarf.

Es kamen nun gerade einige Zauberer vorüber, denen das, was sie da sahen, so viel Spaß machte, dass sie fast vor Lachen hätten bersten mögen, und sie wünschten ihr daher, dass aller Flachs, den sie im Hause habe, sich auf der Stelle nicht nur in Gespinst, sondern in Leinwand und zwar in gebleichte verwandeln möge, was auch alsbald in Erfüllung ging, so dass Saporita in einem Meer von Freude schwamm, als sie dies Glück sich wie vom Himmel herabgeregnet sah.
Damit ihr jedoch ihr Mann nicht wiederum etwas der Art zumuten solle, so legte sie sich zu Bette und schüttete ein Maß Nüsse neben sich hin.

Als nun der Kaufmann nach Hanse kam, fing sie an zu wimmern und sich nach allen Seiten hinzuwerfen, knackte dabei die Nüsse, dass es schien, als krachten ihr alle Knochen im Leibe, und als der Mann sie fragte, wie sie sich befände, antwortete sie mit ganz schwacher Stimme:

„Ich kann mich, lieber Mann, gar nicht schlechter befinden, als eben jetzt; denn scheint es dir etwa eine Kleinigkeit, in drei Wochen zwanzig Gebund Flachs zu spinnen und oben ein noch Leinwand daraus zu machen? Geh nur, geh, denn du hast mir zuviel aufgebürdet, du sollst mich nimmer wieder mit so schwerer Arbeit belasten, denn ich will nicht, um dir deine Spindel voll zu machen, meine Lebensspindel abspinnen."
Der Mann suchte sie zu besänftigen und sagte zu ihr: „Werde du nur gesund, liebe Frau, jetzt sehe ich ein, wie recht deine Mutter hatte, dich zu züchtigen, dass du so viel arbeitetest und darüber deine Gesundheit verlorst. Sei nur gutes Muts, und sollt' es mich selbst ein Auge kosten, gern gab' ich es hin, dich wieder gesund zu machen." Und sogleich lief er, um den Meister Catruppolo zu holen.

Unterdessen aß Saporita die Nüsse auf und warf die Schalen zum Fenster hinaus. Als nun der Arzt kam, ihr an den Puls fühlte und das Gesicht betrachtete, so folgerte er mit Hippokrates und Galenus, dass ihr Übel von zu vielem Blut und zu weniger Arbeit herkäme.

Der Kaufmann, der da eine große Albernheit zu hören glaubte, jagte ihn mit Schimpf und Schande zum Hause hinaus und wollte sogleich nach einem andern Doktor gehen: Saporita jedoch hielt ihn zurück und sagte, es sei nicht mehr Notwendig, denn der bloße Anblick des ersten hätte sie schon gesund gemacht.

Ihr Mann umarmte sie hierauf herzlichst und sprach zu ihr, von Stund' an solle sie nicht mehr arbeiten, sondern sich auf das Beste pflegen, denn was helfe es, Geld erwerben und den Leib verderben.

Märchen der Welt, nach einer Übersetzung von Dr. Kletke, 1846, mit angepasster Schreibweise.

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