Märchen Autoren: | A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Z |
Märchen Titel: | A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Z |
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Die 3 Zitronen - Italienische Märchen
Die drei Zitronen
Der König von Torre-Longa hatte einen Sohn, der sein Augapfel war und
auf den er alle seine Hoffnung gegründet hatte, so dass er gar nicht
die Stunde erwarten konnte, wo er für ihn eine gute Heirat finden und
Großvater genannt werden würde. Aber dieser Prinz konnte die Frauen so
wenig leiden, dass, wenn man nur von ihnen redete, er den Kopf
schüttelte und sich hundert Meilen weit weg wünschte, so dass der arme
Vater, als er die Hartnäckigkeit seines Sohnes sah, dermaßen traurig,
verdrießlich und niedergeschlagen ward, wie ein Kaufmann, dessen
Handelsfreund bankrott gemacht hat, wie ein Eseltreiber, dem das Vieh
gefallen ist.
Aber weder die Tränen des Vaters erweichten den Prinzen, noch bewegten
ihn die Bitten der Untertanen, noch erschütterten ihn die Nachschlüge
redlicher Männer, welche ihm die Freude seines Vaters, das Bedürfnis;
des Volkes und sein eigenes Interesse vorstellten, indem er der letzte
Sprössling des königlichen Blutes sei. Weil jedoch in einer Stunde
sich oft mehr zuzutragen pflegt, als in hundert Jahren, und man nicht
sagen kann, auf diesem Wege soll's nicht gehen, so begab es sich,
dass, als man eines Tages bei Tafel saß, der Prinz eine Sahntorte
mitten durchschneiden wollte, und sich, indem er seine ganze
Aufmerksamkeit auf die Unterhaltung richtete, dabei einen Schnitt in
den Finger gab.
Das Blut strömte auf die Sahntorte und gab dieser eine so schöne
Farbenmischung, dass den Prinzen plötzlich der Wunsch ergriff, eine
Frau zu finden, die gnade so weiß und roth sei, wie jenes von seinem
Blut gefärbte Gericht, und er sagte zum Vater: „Herr Vater, wenn ich
sie nicht so bekomme, wie ich sie wünsche, dann ist es mit mir vorbei.
Nie erweckte irgend eine Frau mir das Blut und jetzt wünsche ich eine
Frau, wie mein Blut. Daher entschließe dich, wenn du willst dass ich
lebe und gesund sei, mir die Erlaubnis zu geben, die Welt zu
durchstreifen, um eine Schönheit zu suchen, die ganz dieser schönen
Farbenmischung entspricht. Sonst ist mein Lebenslauf bald
beschlossen."
Als der König diesen seltsamen Entschluss hörte, so war es ihm, als
stürze das Haus über ihm zusammen, und unaufhörlich wechselte er die
Farbe, und als er wieder zu sich gekommen war und reden konnte, sagte
er: „Mein lieber Sohn, Innerstes meiner Seele, mein einziges
Herzblatt, Stütze meines Alters, was für eine Grille hat dich so
plötzlich von Sinnen gebracht? Hast du deinen Verstand verloren? So
lange hast du keine Frau haben wollen, um mir einen Erben zu geben,
und jetzt hast du Lust, mich aus der Welt zu bringen? Wohin willst du
denn so ohne Sinn und Verstand gehen, dein Leben zuzubringen und dein
Haus zu verlassen, dein Haus, deinen Herd, dein Dach und Fach? Weißt
du denn nicht, wie viel Mühsalen und Gefahren sich derjenige aussetzt,
der da reist? Schlage dir doch diese Grillen aus dem Kopfe und höre
auf das, was ich dir sage, bringe es doch nicht dahin, dass mein Leben
ende, dies Haus verfalle, dieser Staat zu Grunde gehe."
Diese und ähnliche Worte aber gingen ihm zu einem Ohre hinein und zum
andern hinaus; alle waren eitel und weggeworfen, so dass der
unglückliche König, da er sah, dass mit dem Sohne nichts weiter
anzufangen sei, ihm eine Hand voll Taler, nebst einigen Dienern
mitgab, und ihn entließ. Aber es war ihm dabei, als würde ihm die
Seele von dem Körper losgerissen, und indem er sich an ein Fenster
stellte, bittere Tränen vergießend, folgte er ihm so lange mit den
Augen, bis er ihn aus dem Gesicht verlor.
Als nun der Prinz abgereist war und den Vater traurig und trostlos
zurückgelassen hatte, fing er an, durch Felder und Wälder, über Berg
und Tal, über Hügel und Ebene dahin zu reiten, verschiedene Länder
betrachtend und mit mannigfaltigen Leuten umgehend und immer die Augen
offen, um zu sehen, ob er das Ziel seiner Wünsche entdecke, so dass er
nach Verlauf von vier Monaten an eine Französische Meeresküste
gelangte, wo er seine kranken Diener in einem Spital zurückließ und
sich auf einer genuesischen Barke einschiffte. In Gibraltar angelangt,
ging er an Bord eines größeren Schiffes, das sich auf dem Wege nach
Indien befand, indem er immer von Reich zu Reich suchte, von Provinz
zu Provinz, von Land zu Land, von Straße zu Straße, von Haus zu Haus
und von Stube zu Stube, ob er das jenem schönen Bilde, welches er im
Herzen gemalt umher trug, entsprechende Wesen finden könne, und lief
so weit umher, und setzte seine Beine in solche Tätigkeit, bis er am
Ende an die Insel der wilden Frauen gelangte, woselbst er vor Anker
ging und ans Land stieg.
Dort fand er eine alte, alte Frau, die überaus mager war und ein
schauderhaft hässliches Gesicht hatte. Dieser erzählte er die Ursache,
welche ihn in dieses Land gebracht hatte. Als die Alte die seltsame
Grille und den wunderlichen Einfall des Prinzen vernahm und die
Mühsalen und Gefahren, die er deshalb erduldet hatte, geriet sie ganz
außer sich und sagte zu ihm: „Mein Sohn, sieh dich wohl vor, denn wenn
dich meine drei Töchter hier finden, die das Menschenfleisch gar sehr
lieben, so ist dein Leben verloren; denn halb lebendig und halb
gebraten werden sie dir die Schüssel zum Sarge und ihren Bauch zum
Grabe machen. Mach' dich also von hier weg, so bald und so rasch wie
möglich, denn du wirst nicht weit gegangen sein, so wirst du dein
Glück finden."
Als dies der Prinz vernahm, so geriet er in die größte Bestürzung,
machte sich alsbald auf und davon, und ohne auch nur ein Lebewohl zu
sagen, fing er an zu laufen, bis er in ein anderes Land kam, wo er
eine andere alte Frau fand, die noch hässlicher war, als die erste. Er
teilte ihr gleichfalls seine Angelegenheiten auf das Genaueste mit,
und wiederum sagte sie zu ihm: „Mache dich rasch von hier fort, wenn
du meinen Töchtern, den kleinen Menschenfresserinnen, nicht zur Speise
dienen willst; aber nicht weit von hier wirst du dein Glück finden."
Als dies der traurige Prinz vernahm, fing er an zu laufen, als wenn er
gejagt würde, bis er eine andere alte Frau fand, die auf einem Rade
saß, mit einem Korbe am Arm voll Pasteten und Zuckerwerk, womit sie
eine Schar von Eseln fütterte, die sodann am Ufer eines Flusses umher
sprangen, und mit den Füßen gegen einige arme Schwäne ausschlugen.
Der Prinz verneigte sich sehr artig gegen die alte Frau und erzählte
ihr die Geschichte seiner Wanderung. Diesmal tröstete ihn die alte
Frau mit freundlichen Worten, gab ihm ein gutes Frühstück, dass er
sich die Finger danach leckte und nachdem er von Tische aufgestanden,
schenkte sie ihm drei Zitronen, die nur eben erst vom Baume
abgepflückt schienen, und dazu noch ein schönes Messer, indem sie
sagte: „Du kannst auf demselben Wege in deine Heimat zurückkehren,
denn dein Rocken ist voll und du hast das gefunden, was du suchst;
geh' also und wenn du nicht weit von Hause bist, so zerschneide bei
der ersten Quelle, die du findest, eine Citrone, aus welcher sogleich
eine Fee heraussteigen und zu dir sagen wird: Gib mir zu trinken! Du
aber sei rasch mit dem Wasser zur Hand, sonst wird sie zerfließen wie
Quecksilber, und wenn du nicht schneller bist bei der zweiten, so
öffne die Augen und sei hurtiger bei der dritten, dass sie dir nicht
entgeht, indem du ihr schnell zu trinken reichst, denn dann wirst du
ein Weib nach deinem Herzen haben."
Der Prinz küsste ihr ganz vergnügt hundertmal die haarige Hand, die
dem Rücken eines Stachelschweins glich, nahm Abschied und verließ
jenes Land. An das Meeresufer gelangt, fuhr er nach den Säulen des
Herkules hin, in unser Meer hinein, und nach tausend Stürmen und
Gefahren landete er eine Tagereise weit von seinem Reiche. Dort, in
einem sehr anmutigen Haine, wo der Schatten die Wiesen überdachte,
damit sie nicht von der Sonne gesehen würden, stieg er bei einer
Quelle ab, die mit kristallener Zunge die Leute herbeirief, um sie zu
erquicken. Der Prinz setzte sich auf dem prächtigen Teppiche nieder,
welchen Gras und Blumen bildeten, nahm das Messer aus der Scheide und
fing an, die erste Citrone aufzuschneiden. Siehe da, wie der Blitz kam
ein sehr schönes Mädchen heraus, weiß wie Milch und rot wie eine
Erdbeere, welches zu ihm sagte: „Gib mir zu trinken!"
Der Prinz, ganz erstaunt und erstarrt über die Schönheit der Fee, war
nicht rasch genug, ihr das Wasser zu geben, so dass ihr Erscheinen und
Verschwinden fast zugleich stattfand. Dies war nun ein Strich durch
die Rechnung des Prinzen und es ging ihm so, als wie Einem, der Etwas
wünscht, und während er es zu haben glaubt, verliert.
Indem er aber die zweite Citrone durchschnitt, ging es ihm eben so,
und dies war der zweite Strich, der ihm gemacht wurde, so dass seine
Augen sich in zwei Bäche verwandelten und Tränen stromweise vergossen,
mit der Quelle wetteifernd und ihr nichts nachgebend, während er
jammernd bei sich selbst sagte: „Wie unglücklich bin ich doch, ich
Ärmster! Zweimal habe ich mir sie entkommen lassen, als wenn mir die
Hände gebunden wären! hol' mich der Kuckkuck, ich bewege mich wie ein
Bär, wo ich doch laufen sollte, wie ein Windhund! Meiner Treu, das
hab' ich wahrlich brav gemacht! Doch tröste dich Unglücklicher, noch
ist ja eine da, aller guten Dinge sind drei — entweder soll dieses
Messer mir die Fee verschaffen oder sonst ein wirksames Mittel gegen
meinen Schmerz."
Mit diesen Worten durchschneidet er die dritte Citrone, die dritte Fee
kommt heraus und sagt wie die übrigen: „Gib mir zu trinken!"
Der Prinz reicht ihr alsbald das Wasser und sieh' da, vor ihm steht
ein zartes Mädchen, weiß wie Sahne und rot wie Blut, Etwas, was nimmer
in der Welt war gesehen worden, eine Schönheit ohne Maß, von zartester
Weiße und unvergleichlicher Anmut. Ihr Haar war golden und in ihren
Augen hatte die Sonne zwei Sterne angezündet, damit sie in der Brust
dessen, der sie sah, Feuer entzündeten. Ihre Lippen hatte die Göttin
der Liebe rosenrot gefärbt — mit einem Wort, sie war so schön von Kopf
bis zu Fuß, dass man nichts Reizenderes hätte sehen können, so dass
der Prinz nicht wusste, wie ihm geworden war, und die so schöne Geburt
einer Citrone nicht genug bewundern konnte, indem er bei sich sagte:
„Schläfst du oder bist du wach? sind deine Augen bezaubert oder was
ist das hier für eine weiße Gestalt, hervorgegangen aus einer gelben
Schale? Was für ein süßes Zuckerwerk aus der Säure einer Citrone?"
Als er sich endlich überzeugt hatte, dass es kein Traum, sondern
lauter Ernst und Wahrheit sei, umarmte er die Fee auf das Zärtlichste,
und nachdem er ihr tausend liebevolle Worte gesagt, fügte der Prinz
hinzu: „Ich will dich nicht, du meine Seele, in das Land meines Vaters
führen, ohne die Pracht, die deiner Schönheit würdig ist, und ohne die
Begleitung, welche sich für eine Königin passt. Daher bitt' ich dich,
steig' einstweilen ans diese Eiche, die, wie es scheint, von der Natur
selbst zu einem laubigen Schlupfwinkel gebildet wurde, und erwarte
meine Zurückkunft; denn ich werde in der kürzesten Zeit zurückkehren,
und dich mit mir führen, bekleidet und begleitet, wie es für meinen
Stand sich ziemt— und so, nachdem er von ihr Abschied genommen,
verließ er sie und begab sich fort.
Inzwischen war eine schwarze Sklavin von ihrer Gebieterin geschickt
worden, mit einem Kruge an dieser Quelle Wasser zu holen. Als nun die
Schwarze zufälligerweise in den Wellen das Bild der Fee erblickte,
meinte sie sich selbst zu erblicken, und rief voller Verwunderung:
„Wie, unglückliche Lucia, du bist so schön, und deine Gebieterin
schickt dich, Wasser zu holen, und du willst das ertragen?"
Mit diesen Worten zerbrach sie den Krug, kehrte nach Hause zurück, und
als sie von ihrer Gebieterin befragt wurde, warum sie ihren Dienst so
schlecht versehen habe, antwortete sie: „Ich bin an die Quelle
gegangen und habe den Krug an einem Steine zerstoßen."
Die Frau verschluckte ihren Ärger und gab ihr am nächsten Tage ein
schönes Fass, um es mit Wasser zu füllen. Aber da sie zur Quelle
zurückkehrte und wiederum ein so schönes Bild in dem Spiegel des
Wassers erblickte, stieß sie einen tiefen Seufzer aus und sagte: „Ich
will keine Sklavin sein, denn ich bin nicht so hässlich; nein, ich bin
schon und lieblich und soll dennoch ein Fass an die Quelle tragen!"
Mit diesen Worten zerbrach sie auch das Fass in hundert Stücke, und
daheim sprach sie brummend zu ihrer Gebieterin: „Ein Esel kam
vorbeigelaufen, stieß an das Fass, da fiel es auf die Erde und ist mir
ganz in Stücke zerbrochen."
Als die zornige Frau diesen neuen Unfall vernahm, verlor sie die
Geduld, und einen Besen ergreifend, prügelte sie die Schwarze dermaßen
durch, dass jene es ein paar Tage lang fühlte, gab ihr sodann einen
Schlauch und sagte: „Jetzt lauf und mach' rasch, du nichtswürdiges
Geschöpf, lauf und trödle nicht und bring' mir diesen Schlauch voll
Wasser, denn sonst hau' ich dich, bis du dich nicht mehr rühren kannst
und ich dir für alle Zeit Vernunft beibringe."
Die Sklavin lief über Hals und Kopf, denn sie hatte den Blitz gefühlt,
und wollte den Donner nicht abwarten, und nachdem sie den Schlauch
vollgefüllt, schaute sie das schöne Bild von Neuem an und sprach: „Ich
wär' eine große Närrin, wollte ich Wasser schöpfen; besser ist es, zu
heiraten, wie es mir ziemt. Ich will mich nicht länger ruhig verhalten
und einer solchen Gebieterin dienen." Mit diesen Worten nahm sie eine
Nadel, die sie auf dem Kopfe trug, und sing an den Schlauch zu
durchlöchern, dass er einem Springbrunnen ähnlich wurde und hundert
Wasserstrahlen hervorsandte. Die Fee aber, da sie dieses lächerliche
Benehmen erblickte, fing an, aus vollem Halse zu lachen.
Als die Sklavin das Gelächter hörte, wandte sie ihre Augen nach jener
Richtung, aus welcher es kam, und indem sie das versteckte Mädchen
wahrnahm, sagte sie bei sich selbst: „Du also bist die Ursache, dass
mich meine Frau wie unsinnig durchgeprügelt hat? aber wart' nur!“, und
darauf redete sie die Fee an: „Was machst du da oben, hübsches
Mädchen?"
Die Fee, welche das wahre Bild der Höflichkeit war, teilte ihr alles
haarklein mit, ohne auch nur eine Silbe auszulassen, was ihr mit dem
Prinzen begegnet war, so wie auch, dass sie ihn von Stund' zu Stund'
und von Augenblick zu Augenblick erwarte mit Kleidern und
Dienerschaft, um ihn in das Reich seines Vaters zu begleiten und dort
ein fröhliches Leben zu führen.
Als die rabenschwarze Sklavin dies vernahm, dachte sie daraus großen
Vorteil zu ziehen und erwiderte der Fee: „Da du deinen Bräutigam
erwartest, so lass mich hinaufkommen und dir dein Haar kämmen und dich
schöner machen."
Die Fee antwortete: „Sei mir vielmal willkommen!“, und indem die
Sklavin hinaufkletterte, und jene die Hand ausstreckte, um ihr
hinaufzuhelfen, glichen diese beiden Hände einem Stück Kristall, in
Ebenholz eingefasst. So stieg nun die Sklavin auf den Baum, während
sie aber der Fee das Haar zu kämmen anfing, stieß sie ihr plötzlich
eine Nadel in den Schädel.
Als die Fee dies fühlte, rief sie aus: „Taube! Taube!“, und in eine
Taube verwandelt, schwang sie sich empor und flog fort.
Die Sklavin zog sich hierauf nackend aus, machte aus den Lappen und
Lumpen, womit sie bekleidet war, ein Bündel, warf es weit von sich,
und nahm sich nun auf diesem Baume wie eine Statue von Gagat *) aus in
einem Gehäuse von Smaragd. ') Schwarzer Bernstein.
Inzwischen kehrte der Prinz mit einem großen Gefolge zurück; als er
ein Fass mit Kaviar statt einer Schüssel mit Milch fand, war er eine
Zeit lang ganz außer sich und rief: „Wer hat diesen ungeheuren Klecks
auf das Postpapier gemacht, auf welches ich die glücklichsten Tage
meines Lebens zu schreiben gedachte? Wer hat dieses frisch geweißte
Haus, welches meine Freude sein sollte, mit Trauergewändern behangen?
Wer lässt mich diesen schwarzen Probierstein finden, wo ich ein
Silberbergwerk hinterlassen hatte, durch das ich hätte reich und selig
werden können?"
Allein die Sklavin, da sie das Erstaunen des Prinzen wahrnahm,
entgegnete: „Wundere dich nicht, mein Prinz, denn ich, deine Lucia,
bin bezaubert und aus einem weißen Schleier in eine schwarze Decke
verwandelt worden."
Der arme Prinz, da dem Übel nicht mehr abzuhelfen war, musste wohl
gute Miene zum bösen Spiel machen. Nachdem die Schwarze
heruntergestiegen war, bekleidete er sie von Kopf bis zu Fuß mit
prächtigen Gewändern, und als er sie so aus das Beste herausgeputzt
und gestutzt hatte, schlug er den Weg nach seiner Heimat ein, wo er
von dem König und der Königin, die ihm sechs Meilen weit entgegen
gegangen waren, empfangen wurde.
Als sie den herrlichen, von ihrem närrischen Sohne begangenen Streich
sahen, dass er nämlich so lange umhergelaufen war, um eine weiße Taube
zu finden, und eine schwarze Krähe nach Hause gebracht hatte,
empfanden sie die Freude eines Verbrechers, der das Urteil empfängt,
dass er gehängt werden soll. Da es nun aber einmal nicht anders war,
so übergaben sie die Krone dem jungen Paar, und setzten den goldenen
Reif auf jenes Mopsgesicht. Sodann traf man Anstalt zu köstlichen
Festen. Die Köche rupften Gänse, schlachteten Schweine und Kälber,
spickten Braten, füllten Töpfe, drehten Klöße, spießten Kapaunen und
machten tausend andere leckere Bissen.
Da geschah es, dass an ein Küchenfenster eine schöne Taube kam und
sagte:
„In dieser Küche da, du bester Koch,
Was macht der König bei der Sarazenin doch?"
Der Koch indessen achtete hierauf wenig; als aber die Taube zum
zweiten und zum dritten Mal das Nämliche wiederholte, lief er in den
Saal, wo man speiste und erzählte die wunderbare Begebenheit. Alsbald
befahl die Neuverlobte, da sie dies Lied hörte, dass man die Taube
sogleich einfangen und braten solle. Der Koch kehrte also zurück und
es gelang ihm wirklich, die Taube einzufangen. Nachdem er dem Befehl
der Schwarzen Folge geleistet und die Taube, um sie zu rupfen,
abgebrüht hatte, goss er das Wasser mit den Federn in den Garten
hinab, der sich vor dem Fenster befand, und nicht drei Tage gingen
vorüber, so sprosste ein schöner Zitronenbaum hervor, der in eins,
zwei, drei heranwuchs.
Nun geschah es, dass der König aus einem Fenster sah, welches dort
hinausging, und den Baum wahrnahm, den er früher noch nie gesehen
hatte. Er rief sogleich den Koch und befragte ihn, wann und von wem er
dort wäre hingepflanzt worden. Nachdem er von dem Meister Koch den
ganzen Vorfall vernommen, Mutmaßte er den wahren Hergang der Sache und
so befahl er denn bei Lebensstrafe, dass der Baum nicht berührt
werden, sondern mit jeglicher Sorgfalt gehegt und gepflegt werden
solle.
Als nun nach Verlauf mehrerer Tage drei sehr schöne Zitronen
hervorgekommen waren, denen ähnlich, welche die alte Frau ihm gegeben,
so ließ er sie, nachdem sie reif geworden, abpflücken, schloss sich
mit einer Schale Wasser in seinem Zimmer ein, und mit demselben
Messer, welches er immer an der Seite trug, fing er an, die Zitronen
aufzuschneiden. Es erging ihm mit der ersten und mit der zweiten Fee
nicht anders als früher; nachdem er zuletzt aber die dritte Citrone
aufgeschnitten und der Fee, welche daraus hervorkam, zu trinken
gegeben, wie sie es verlangte, verwandelte sie sich wieder in die
nämliche Jungfrau, welche er auf dem Baume zurückgelassen hatte, und
vernahm jetzt von ihr die ganze Missetat der Sklavin.
Wer kann nur den kleinsten Teil des Jubels schildern, welchen der
König über dieses Glück empfand. Er schwamm in einem Meer von
Seligkeit, er war außer sich vor Freude, und der Himmel hing ihm
voller Geigen. Nachdem er sie in seine Arme gepresst, ließ er sie auf
das Köstlichste ankleiden, nahm sie an der Hand und führte sie mitten
in den Saal, wo der ganze Hofstaat und die anderen vornehmen Leute der
Stadt dem Feste zu Ehren versammelt waren. Der König rief alle, Einen
nach dem Andern, zu sich und fragte sie: „Sag' mir, was verdient
derjenige, welcher dieser schönen Dame etwas Böses antun will?" Worauf
der Eine antwortete: dass er ein hanfnes Halsband verdiene; der
andere: ein Frühstück von Steinen; der Dritte: eine Musik mit Keulen
auf dem Trommelfell des Magens; der Vierte: einen Schluck Bilsenkraut,
und die Einen so und die anderen anders.
Als endlich die schwarze Königin herbeigerufen wurde und der König die
nämliche Frage an sie richtete, gab sie zur Antwort: „Er verdient,
dass man ihn verbrenne und das Pulver in die Luft streue."
Als der König das vernahm, sagte er: „Du hast dir mit der Art in den
Fuß gehauen, du hast dir das Messer geschliffen, du hast dir das Gift
gemischt, denn Niemand hat ihr ein größeres Unheil zugefügt als du,
nichtswürdige Hündin. Weißt du, dass dies die schöne Jungfrau ist, die
du mit der Haarnadel durchbohrtest? weißt du, dass dies jene schöne
Taube ist, die du schlachten und langsam braten ließest? Du hast dir
da eine schöne Suppe eingebrockt, du hast dir selbst den schlimmsten
Streich gespielt; wie man's treibt, so geht's; wer Reisig kocht,
bekommt Rauchsuppe, und wie man einem andern tut, so wird uns wieder
getan."
Mit diesen Worten ließ er sie ergreifen und lebendig in einen großen
Haufen Holz werfen, und nachdem sie zu Asche verbrannt, diese von dem
Schlossturme aus in die Luft streuen, indem sich so wiederum die
Wahrheit des Sprichwortes bewährte:
Wer Dornen säet, geh' nicht barfuß.
Märchen der Welt, nach einer Übersetzung von Dr. Kletke, 1846, mit angepasster Schreibweise.