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Der verwünschte Esel - Märchen von Simrock
Der verwünschte Esel
Es war einmal ein junger Taugenichts, der stak aller Teufeleien voll und hatte
sein Leben nichts getan als was Gott und alle Rechtschaffenen verdross. Zuletzt
durfte er sich unter den ehrlichen Leuten nicht mehr sehen lassen und nahm sich
vor unter die Spitzbuben zu gehen. Da lief er in den Wald zu einer Räuberbande
und sagte, er hätte auch ihre Profession (Beruf) gelernt, sie sollten ihn unter
sich aufnehmen. Sie sagten ja, er müsste aber erst sein Probestück machen. Da
kam just ein Bauer durch das Holz, der zog einen Esel hinter sich her. Da sagten
die Räuber: Geh hin und nimm dem Bauer den Esel weg, dass er nichts davon merkt.
Da ging er sachte hinter dem Bauer her und streifte dem Esel den Halfterzaum vom
Kopf, tat ihn sich selber um und ließ den Esel ins Holz laufen, wo ihn die
Räuber fingen. Merkte denn der Bauer nichts? Bewahre.
Der Bauer schritt immer zu durch das Holz und der Dieb an dem Strange hinter ihm
her; als er es aber müde ward, blieb er stehen und sagte: Ach, lieber Herr,
schenkt mir die Freiheit! Der Bauer sah sich um und erschrak gewaltig, als er
sah, dass er einen Menschen am Zaum hatte. Herrje, rief er, ich meinte, du wärst
ein Esel. Wie kommt es, dass du auf einmal ein Mensch bist? —
Ach Herr, als ich ein kleiner Junge war, hab ich nichts Gutes getan und hab
immer Karten gespielt: Da hat mich meine Mutter auf sieben Jahre in einen Esel
verwünscht. Schenkt mir doch die Freiheit! Da sagte der Bauer: Was soll ich mit
dir machen? Ich kann dich ja doch nicht mehr für einen Esel brauchen, und ließ
ihn gehen. Da kam er zu den andern Spitzbuben und fragte, ob er sein Probestück
gut gemacht hätte?
Sie sagten ja; er müsste aber morgen auf den Markt, um den Esel zu verkaufen.
Der Bauer aber ging nach Haus und sagte zu seiner Frau: Denk an, unser Esel ist
unterwegs zu einem Menschen geworden, denn seine Zeit war um. Hab ich dir's
nicht immer gesagt, versetzte die Frau, unser Esel wäre ein klug Tier, und hätte
mehr Verstand als mancher Mensch. Nun musst du morgen auf den Markt, um einen
Neuen zu kaufen. Aber nimm dich in Acht, dass dir's nicht wieder so geht.
Am andern Morgen ging also der Bauer auf den Markt, einen neuen Esel zu kaufen.
Wie er dahin kam, standen da viele Esel in einer Reihe und wie er recht zusah,
war auch sein alter Esel darunter. Der Bauer fing an zu schmunzeln und dachte
bei sich: Mit dem wird heute wieder einer betrogen. Da wies er mit Fingern auf
ihn und sagte: Wer den kennt, der kauft ihn nicht. Mehr will ich nicht sagen.
Damit gab er dem Esel eins über den Rücken und raunte ihm ins Ohr: „Sag, hast du
wieder Karten gespielt? Mich sollst du nicht wieder anführen."
Deutsche Märchen, Karl Simrock - 1864, mit angepasster Schreibweise.