| Märchen Autoren: | A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Z | 
| Märchen Titel: | A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Z | 
| Märchen Themen: | A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Z | 
Der gestiefelte Kater - Französische Märchen
Der gestiefelte Kater
          Ein Müller hinterließ bei seinem Hinscheiden seinen drei Söhnen nichts 
		  weiter, als seine Mühle, seinen Esel und seine Katze. Die Teilung war 
		  bald gemacht, ohne dass man die Gerichte dazu brauchte, die von der 
		  kleinen Erbschaft gewiss nichts übrig gelassen hätten. Der Älteste 
		  bekam die Mühle, der Zweite den Esel und der Jüngste nichts als die 
		  Katze.
          Dieser konnte sich über ein so armseliges Erbteil gar nicht zufrieden 
		  geben. „Meine Brüder“, sagte er, „können doch, wenn sie 
		  gemeinschaftliche Sache machen, ihren Lebensunterhalt auf eine 
		  anständige Art verdienen; aber ich, wenn ich meinen Kater aufgegessen 
		  und mir aus seinem Fell einen Muff gemacht habe, ich muss ja Hungers 
		  sterben!"
          Der Kater, welcher diese Rede wohl hörte, obgleich er sich gar nicht 
		  so anstellte, sagte zu ihm mit einer ernsthaften und gesetzten Miene: 
		  „Bekümmert euch doch nicht, lieber Herr, ihr braucht mir nur einen 
		  Sack zu geben und mir ein Paar Stiefeln machen zu lassen, damit ich in 
		  das Gesträuch gehen kann, und ihr werdet sehen, dass ihr mit euerm 
		  Anteil nicht so übel bedacht wart, als ihr glaubt."
          Der arme Mensch rechnete zwar nicht sehr auf die Versprechungen des 
		  Katers, Indes er hatte ihn so manchen listigen Streich ausführen 
		  sehen, wie er sich bald, um die Ratten und Mäuse zu fangen, bei den 
		  Beinen aufhing, bald sich in das Mehl hinstreckte, als ob er tot sei, 
		  dass er gleichwohl nicht daran verzweifelte, er könne ihm in seinem 
		  Unglück irgendwie nützlich sein.
              Als der Kater das, was er verlangte, erhalten hatte, zog er mutig 
		  die Stiefelchen an, hing seinen Sack um den Hals, fasste die Schnüre 
		  mit den beiden Vorderpfoten und marschierte so auf einen Berg, wo es 
		  eine große Menge Kaninchen gab. Er tat Kohl und Kleie in seinen Sack 
		  und indem er sich hinstreckte, als ob er tot sei, erwartete er, dass 
		  irgend ein junges Kaninchen, mit den Listen dieser Welt noch wenig 
		  bekannt, hineinkröche, um von dem Kohl und der Kleie zu naschen. Kaum 
		  hatte er sich hingelegt, so geschah es auch, wie er dachte. Ein junges 
		  unbedachtsames Kaninchen spazierte in den Sack und Meister Kater zog 
		  gleich. die Schnüre zu, packte und erwürgte es ohne Barmherzigkeit.
          Ganz stolz auf seine Beute, ging er damit zum Könige und verlangte 
		  vorgelassen zu werden. Man ließ ihn in das Gemach Sr. Majestät 
		  hinaussteigen, der Kater trat ein, machte einen tiefen Bückling vor 
		  dem Könige und sagte zu ihm: „Hier bringe ich Ew. Majestät ein 
		  Kaninchen, welches der Herr Graf von Karabas (dies war der Name, 
		  welchen er für gut fand, seinem Herrn zu geben) mir aufgetragen hat, 
		  euch zu überreichen."
          „Sage deinem Herrn“, antwortete der König, „dass ich ihm danke und 
		  dass er mir ein Vergnügen damit gemacht hat."
          Ein anderes Mal legte sich der Kater, den Sack immer offen haltend, 
		  ins Korn und als zwei Rebhühner darin waren, zog er die Schnüre zu und 
		  fing sie alle beide. Hierauf ging er wieder zum König und überreichte 
		  sie ihm, so wie er es mit dem Kaninchen gemacht hatte. Der König nahm 
		  auch die beiden Rebhühner gnädig an und ließ ihm ein Trinkgeld geben. 
		  So fuhr der Kater durch zwei oder drei Monate fort, dem Könige von 
		  Zeit zu Zeit Wildbret aus dem Forst seines Herrn zu bringen.
          Eines Tages hatte er erfahren, dass der König mit seiner Tochter, der 
		  schönsten Prinzessin von der Welt, an dem Ufer des Flusses eine 
		  Spazierfahrt machen wolle, und sagte zu seinem Herrn: „Wenn ihr jetzt 
		  meinem Rate folgt, so ist euer Glück gemacht. Ihr habt nichts weiter 
		  zu tun, als dass ihr euch in dem Flusse, an der Stelle, die ich euch 
		  zeigen werde, badet und das Übrige lasset mich nur machen."
          Der Graf von Karabas tat, wie sein Kater ihm riet, ohne zu wissen, 
		  wozu es gut sein würde. Während er nun badete, kam der König vorüber 
		  und sogleich fing der Kater aus Leibeskräften an zu schreien: „Zu 
		  Hülfe, zu Hülfe, der Herr Graf von Karabas ist im Ertrinken."
          Auf dies Geschrei steckte der König den Kopf aus dem Wagen und als er 
		  den Kater erkannte, welcher ihm so oft Wildbret gebracht hatte, befahl 
		  er seinen Leuten, dem Grafen von Karabas schleunigst zu Hülfe zu 
		  eilen. Während man nun den armen Grafen aus dem Flusse zog, trat der 
		  Kater an den Wagen heran und sagte zum Könige: während sein Herr sich 
		  gebadet, seien Diebe gekommen und hätten alle Kleider mit 
		  fortgenommen, obgleich er ihnen aus Leibeskräften nachgeschrien habe. 
		  — Der Spitzbube von Kater hatte sie selbst unter einen großen Stein 
		  versteckt!
          Sogleich befahl der König seinen Kammerdienern aus seiner Garderobe 
		  eins seiner schönsten Kleider für den Herrn Grafen von Karabas zu 
		  holen. Der König erwies ihm alle nur möglichen Höflichkeiten, und da 
		  der schöne Anzug, mit welchem man ihn bekleidete, ihm sehr wohl stand 
		  (denn er war von Natur hübsch und gut gewachsen), so fand ihn die 
		  Tochter des Königs ganz nach ihrem Geschmack und der Graf von Karabas 
		  hatte ihr nur etwa zwei bis drei ehrfurchtsvolle und ein wenig 
		  zärtliche Blicke zugeworfen, so wurde sie, wie närrisch, in ihn 
		  verliebt. Der König ersuchte ihn in seine Karosse zu steigen und die 
		  Spazierfahrt mit zu machen.
          Der Kater, außer sich vor Vergnügen, dass ihm sein Anschlag so gut 
		  gelungen war, lief voraus und als er auf einige Bauern traf, welche 
		  eine Wiese mähten, rief er ihnen zu: „Ihr guten Leute, wenn ihr dem 
		  Könige nicht sagt, dass die
          Wiese, die ihr mäht, dem Grafen von Karabas gehört, so werdet ihr alle 
		  kurz und klein gehackt, wie Pastetenfleisch."
          Wirklich unterließ der König nicht, die Bauern zu fragen, wem die 
		  Wiese gehöre, die sie mähten?
          „Sie gehört dem Grafen von Karabas“, sagten alle einstimmig, denn die 
		  Drohung des Katers hatte sie in Furcht gesetzt.
          „Da habt ihr ein schönes Erbstück“, sagte der König zu dem Grafen von 
		  Karabas.
          „Wie Ihre Majestät sehen“, antwortete der Graf; „diese Wiese bringt 
		  alle Jahr ihren reichlichen Ertrag."
          Meister Kater, der immer voraus lief, traf jetzt auf einige Schnitter 
		  und rief ihnen zu: „Ihr guten Leute, wenn ihr nicht sagt, dass alle 
		  diese Getreidefelder dein Herrn Grafen von Karabas gehören, so werdet 
		  ihr alle kurz und klein gehackt, wie Pastetenfleisch."
          Der König, der einen Augenblick darauf vorüberkam, wollte wissen, wem 
		  alle diese Getreidefelder gehörten, die er vor sich sähe.
          „Sie gehören dem Herrn Grafen von Karabas“, antworteten die Schnitter, 
		  und der König bezeugte dem Grafen gleichfalls seine Freude darüber. 
		  Der Kater, welcher immer vor dem Wagen einher lief, sagte zu Allen, 
		  die er unterwegs traf, immer das Nämliche, und der König war über die 
		  großen Besitztümer des Herrn Grafen von Karabas ganz erstaunt.
          Endlich kam Meister Kater auch an ein schönes Schloss, welches einem 
		  wilden Manne gehörte, dem reichsten, der jemals gelebt hat, denn das 
		  ganze Land, durch welches der König gekommen war, gehörte zu diesem 
		  Schlosse. Der Kater erkundigte sich vorher, wer dieser wilde Mann sei 
		  und was er für Geschicklichkeiten besäße, und bat dann, ihm aufwarten 
		  zu dürfen, wobei er sagte: er habe, so nahe seinem Schloss, nicht 
		  vorbeigehen wollen, ohne die Ehre zu haben, ihm seinen untertänigen 
		  Diener zu machen.
          Der wilde Mann empfing ihn mit aller Höflichkeit, deren ein wilder 
		  Mann fähig ist und ließ ihn niedersitzen.
          „Man hat mich versichert“, sagte der Kater, „dass ihr die Fähigkeit 
		  hättet, euch in alle Arten von Tieren zu verwandeln. Ihr könntet z. B. 
		  die Gestalt eines Löwen oder eines Elefanten annehmen."
          „Das ist auch wahr“, antwortete der wilde Mann, „und um es dir zu 
		  beweisen, will ich mich gleich in einen Löwen verwandeln."
          Der Kater war so erschrocken, einen Löwen vor sich zu sehen, dass er 
		  gleich auf die Dachrinne kletterte, nicht ohne Mühe und Gefahr der 
		  Stiefeln halber, die auf den Ziegeln ausglitten.
          Als der Kater nach einer Weile sah, dass der wilde Mann seine 
		  Löwengestalt wieder abgelegt hatte, kam er herab und gestand, er sei 
		  in Todesangst gewesen. „Man hat mich“, fuhr er fort, „auch noch 
		  versichert, was ich aber kaum glauben kann, dass es auch in eurer 
		  Macht stünde, die Gestalt der kleinsten Tiere anzunehmen, z. B, euch 
		  in eine Ratte oder in eine Maus zu verwandeln. Ich muss gestehen, dass 
		  ich das für ganz unmöglich halte."
          „Unmöglich?“, rief der wilde Mann; „das sollst du sehen." Und sogleich 
		  verwandelte er sich in eine Maus, die auf dem Fußboden dahin lief; 
		  aber der Kater hatte sie kaum erblickt, so erwischte er sie und fraß 
		  sie auf.
          Inzwischen kam der König auch bei dem schönen Schloss des wilden 
		  Mannes vorüber und wünschte hineinzutreten. Der Kater, welcher den 
		  Wagen über die Zugbrücke rollen hörte, lief ihm entgegen und sagte zum 
		  Könige: „Ew. Majestät seien bestens willkommen in dem Schloss des 
		  Herrn Grafen von Karabas."
          „Wie, mein Herr Graf“, rief der König, „dieses Schloss gehört euch 
		  auch noch? Es kann nichts Schöneres geben, als diesen Hof und alle 
		  diese Gebäude, die es umgeben. Lasst uns nun auch das Innere besehen, 
		  wenn es euch gefällt."
          Der Graf reichte der jungen Prinzessin den Arm und folgte dem Könige, 
		  der voran ging. Sie traten in einen großen Saal und fanden daselbst 
		  eine prächtige Mahlzeit aufgestellt, welche der wilde Mann für seine 
		  Freunde hatte zurichten lassen, die ihn gerade an diesem Tag besuchen 
		  wollten, aber nicht hineinzugehen wagten, weil sie hörten, dass der 
		  König darin sei.
          Der König war über die guten Eigenschaften des Herrn Grafen von 
		  Karabas ganz entzückt, und seine Tochter noch bei weitem mehr. In 
		  Betracht des großen Vermögens, welches er besaß, sagte er zu ihm, 
		  nachdem sie fünf oder sechs Gläser geleert hatten: „Es kommt nur auf 
		  euch an, mein Herr Graf, ob ihr mein Schwiegersohn werden wollt."
          Der Graf machte einen tiefen Bückling und nahm die Ehre, welche ihm 
		  der König anbot, mit großem Dank an. Noch an dem nämlichen Tage 
		  heiratete er die Prinzessin. Der Kater wurde ein vornehmer Herr und 
		  lief jetzt den Mäusen nur noch zum Spaß nach.
Märchen der Welt, nach einer Übersetzung von Dr. Kletke, 1846, mit angepasster Schreibweise.
