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Sterntaler - Märchen der Brüder Grimm
Sterntaler
Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben und es war
so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen und kein Bettchen
mehr, darin zu schlafen und gar nichts mehr, als die Kleider, die es auf dem
Leib trug und ein Stückchen Brot, das es in der Hand hielt und das ihm ein
mitleidiges Herz noch geschenkt hatte.
Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es
im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld; da begegnete ihm ein armer
Mann, der sprach: „Ach, gib mir doch etwas zu essen, ich bin so hungrig."
Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir's!" und ging
weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem
Kopf, schenk mir doch etwas, womit ich ihn bedecken kann!" Da tat es seine Mütze
ab und gab sie ihm. Und als es noch ein bisschen gegangen war, kam wieder ein
Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter,
da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich kam es in
einen Wald und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein
Hemdlein und das fromme Mädchen dachte:
Es ist dunkle Nacht, da kannst du wohl dein Hemd weggeben. Und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Taler und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und ward reich für sein Lebtag.
Märchen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm, Berlin 1825 / 1843, mit angepasster Schreibweise.