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Klein Däumchen - Niederländische Märchen

Klein Däumchen

Es war einmal eine blutarme Frau, die hatte nichts auf der Welt als ein kleines Hüttchen und ein altes Tischchen und ein zerbrochenes Stühlchen und ein Söhnchen, und das war so klein, so klein, dass es nicht größer war als ein Daumen; darum hatte die Mutter es auch klein Däumchen geheißen. Eines Tages wusste die arme Frau nicht, was sie kochen sollte, und da sprach sie in sich hinein: „Ach hätte ich doch ein Pfund Mehl, ich möchte mir so gerne einen Kuchen backen!" Das hatte klein Däumchen gehört, denn es saß zufällig in der Schürzentasche seiner Mutter; und es sprang flink heraus und sprach: „Nichts mehr als das, liebe Mutter? Das will ich schon schaffen“; und damit hüpfte es weg und lief in einen Laden und stahl sich dort ein Pfund Mehl.

Als es das nach Hause brachte, da war seine Mutter über die Maßen froh und sprach: „Ja, das ist wohl schön und gut, aber wenn ich Kuchen backen soll, dann muss ich auch Butter haben." —

„Hoho, nichts mehr als das?“, fragte Däumchen. „Die will ich schon schaffen“, und es hüpfte fort und in einen andern Laden, wo es ein Pfund Butter stahl.

Als es dies seiner Mutter getragen brachte, da freute sich die arme Frau noch mehr, aber sie schüttelte doch noch den Kopf und sprach: „Mehl und Butter haben wir nun, aber um den Kuchen zu backen, muss ich auch noch eine Pfanne haben." — „Ei, nichts mehr als das“, lachte Däumchen, „die will ich schon schaffen“; und es lief eilig in Nachbars Eisenladen und schnitt ritsch, ratsch eine Kordel durch, woran eine Pfanne hing, und rannte damit nach Hause zurück. „Nun fehlt nur noch eins“, sprach die Mutter da; „ich müsste auch noch Holz haben."

— „He, nichts mehr als das“, sprach Däumchen, „das Holz will ich wohl schaffen“, und mit den Worten sprang es weg und in den Wald, um daselbst Holz zu lesen. Als es aber eben am Suchen war, da hörte es plötzlich viele Menschen sprechen. „Halt“, dachte es, „das sind Räuber und vor denen muss ich mich verstecken; sonst sind sie im Stande und machen mich tot und dann kann ich kein Holz suchen und meine Mutter kann keinen Kuchen backen“; und indem es das sprach, versteckte es sich unter einem Wegerichblatt.

Die Räuber hatten Däumchen auch nicht gesehen; sie kamen aber immer näher und näher, wo der Wegerich stand, und als sie endlich ganz nahe waren, da tat der Eine von ihnen einen unglücklichen Tritt auf das Blatt und trat Däumchen tot, und so konnte es seiner Mutter kein Holz bringen und die konnte keinen Kuchen backen und die ganze Geschichte war aus.

Deutsche Märchen und Sagen, Johannes Wilhelm Wolf - 1845, mit angepasster Schreibweise.

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